Individuelle, variable Verläufe mit unsicherer Prognose

Patienten, bei denen die Diagnose Multiple Sklerose gestellt wird, sind in der Regel zwischen 20 und 40 Jahre alt. Der Verlauf der Krankheit ist sehr variabel. Im Wesentlichen werden folgende Verlaufsformen unterschieden:

  • Schubförmig remittierender Verlauf (RRMS): Bei 85 bis 90 Prozent der Betroffenen zeigt sich zunächst diese Form der MS. Sie ist gekennzeichnet durch sogenannte Schübe, Phasen neurologischer Symptome, die sich meist innerhalb weniger Wochen teilweise oder vollständig zurückbilden. Werden MS-typische Veränderungen im MRT oder Nervenwasser zum ersten Mal nachgewiesen, bezeichnen Neurologen diesen ersten Schub heute als klinisch isoliertes Syndrom (KIS). Ein KIS geht aber nicht immer in eine MS über.
  • Sekundär progrediente MS (SPMS): Im Laufe der Zeit entwickelt die Mehrzahl der Patienten mit RRMS eine sekundär progrediente MS, vor allem wenn ungenügend therapiert wird. Wesentliches Merkmal ist eine langsame klinische Verschlechterung, die unabhängig von Schüben auftritt.
  • Primär progrediente MS (PPMS): Zehn bis 15 Prozent der Patienten sind von Beginn an von einer schleichenden Behinderung betroffen – meistens ohne Auftreten von Schüben. Mediziner sprechen dann von einer primär progredienten MS.
  • Benigne MS: Ein Teil der MS-Patienten (ca. 5 Prozent) bleibt über Jahrzehnte hinweg ohne nennenswerte Behinderung. Für sie wurde im angloamerikanischen Raum der Begriff der „benignen (=gutartig verlaufenden) MS“ geprägt. Bei diesen Verläufen müssen unbedingt aber auch Kognition und Konzentration mit überprüft werden.

Genaue und individuelle Prognosen zum Krankheitsverlauf sind schwierig bis unmöglich. Allerdings gibt es einige Faktoren, die auf einen eher günstigen Verlauf hinweisen:

  • Erstsymptome in jungen Jahren (< 40 Jahre)
  • Erstsymptome sind Sehnerventzündung (Optikusneuritis) oder Sensibilitätsstörungen
  • Schubförmiger Verlauf
  • Geringe Schubrate
  • Komplette Rückbildung der Schübe
  • Weibliches Geschlecht

In der Regel sagen Wissenschaftler, dass ca. ein Drittel der Patienten ohne größere Behinderungen lebt. Ein weiteres Drittel weist zwar neurologische Defizite auf, die auch den Alltag beeinträchtigen, aber prinzipiell Berufstätigkeit und Familienplanung zulassen. Lediglich bei einem Drittel führt MS zu deutlichen Beeinträchtigungen, die meist mit Berufsunfähigkeit und oft auch Pflegebedürftigkeit einhergehen.

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Verschiedene Verlaufsformen der MS. Quelle: Heinz Wiendl/Bernd C. Kieseier: Multiple Sklerose. Klinik, Diagnostik und Therapie, Kohlhammer Verlag 2010.