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01.12.2022 – Die neu gegründete Task Force Autologe Stammzelltransplantation des KKNMS hat einen Kriterienkatalog zum Einsatz der autologen Stammzelltransplantation (AHSZT) bei MS in Deutschland sowie eine Patientenaufklärung zu dieser Therapie entwickelt. Beide Dokumente sind ab sofort als Download auf der KKNMS Homepage verfügbar.

Die autologe Stammzelltransplantation (AHSZT) wird international seit Längerem als Therapiemöglichkeit aggressiver MS-Verläufe diskutiert. Mittlerweile sind Daten über Langzeiteffekte hinsichtlich Wirksamkeit und Sicherheit verfügbar – auch im Vergleich mit anderen hochwirksamen Therapieprinzipien (Sharrack et al. 2020). Die AHSZT beruht dabei auf dem Konzept, dass durch eine komplette Zerstörung mit nachfolgendem Wiederaufbau des Immunsystems die krankheitsverursachende Fehlsteuerung des Immunsystems bei der MS langfristig oder sogar dauerhaft beseitigt werden könnte (Lünemann et al. 2020). Bei der AHSZT werden blutbildende Stammzellen aus dem Blut gesammelt und eingefroren. In der Folge wird mittels Chemotherapie das Immunsystem der Patient:innen ausgeschaltet. Unmittelbar danach werden ihm/ihr die Stammzellen wieder zurückgegeben und diese bauen ein neues Immunsystem auf.

Man nimmt an, dass bis zu 5% der MS-Betroffenen an einem aggressiven MS-Verlauf leiden und somit für ein solch maximal in das Immunsystem eingreifendes Verfahren in Frage kommen. 

In Deutschland ist das Verfahren zwar verfügbar, es gibt aber bisher keine strukturierten Erfahrungen mit der AHSZT bei MS. Dies hängt vor allem mit der unklaren Situation der Kostenübernahme durch die Krankenkassen zusammen. Aufgrund des – mittlerweile auch medial verstärkten – Interesses an der Methode kommt es immer häufiger vor, dass Patient:innen mit MS die AHSZT auf eigene Kosten im Ausland durchführen lassen. Dies stellt letztlich eine inakzeptable Situation dar, die angesichts der elaborierten MS Versorgung in Deutschland so nicht weitergehen darf.

Das KKNMS hat daher eine eigene Task Force „Autologe Stammzelltransplantation“ etabliert. In der Zusammenarbeit von MS-Experten und Stammzellspezialisten der Hämatoonkologie wurden jetzt Kriterien sowie Informationsmaterialien zum gezielten Einsatz der AHSZT bei der MS entwickelt. Darüber hinaus gibt es Empfehlungen zur Aufklärung, zur Durchführung und zur Überwachung nach der Therapie. „Die AHSZT führt quasi zu einem Neustart des Immunsystems und stellt damit eine sehr wirksame Form der Immuntherapie dar, die wir einsetzen können“, sagen Prof. Heesen und Prof. Wildemann, die Leiter dieser Initiative. Bei aller Euphorie muss aber bedacht werden, dass das Verfahren nicht ohne Risiken ist. Trotz der weltweit mehr als 4.000 dokumentierten Transplantationen bei MS sind viele Fragen noch unklar. Neben einem Sterblichkeitsrisiko von bis zu 1% sind vor allem die langfristigen Risiken bei MS nur wenig erforscht. Deshalb strebt die Task Force Autologe Stammzelltransplantation des KKNMS neben einheitlichen Empfehlungen zur Indikationsstellung, Therapiedurchführung und Nachsorge eine systematische Erfassung der AHSZT bei MS in Deutschland an, um die Kriterien zur Transplantation zu verbessern und Nutzen und Risiken besser abzuschätzen. Zudem sollen über die Task Force in Zusammenarbeit mit Fachgesellschaften und Patientenorganisationen die Möglichkeiten einer Finanzierung der HSCT durch die Krankenkassen ausgelotet werden.

Das Zusammenspiel wissenschaftlicher Projekte sowie der Dokumentation der Versorgung erfolgt in Zusammenarbeit mit der GERMAN MS Study Group des KKNMS sowie der Task Force Versorgungsstrukturen und Therapeutika, der Kommission Neuroimmunologie der DGN mit den wesentlich beteiligten Fachgesellschaften und Patientenvertretungen DGN, BDN, BVDN, DMSG sowie der Deutschen Arbeitsgemeinschaft für Hämatopoetische Stammzelltransplantation und Zelluläre Therapie (DAG-HSZT). 

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Der Abdruck ist frei.

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  • [1] Sharrack, B., Saccardi, R., Alexander, T. et al. Autologous haematopoietic stem cell transplantation and other cellular therapy in multiple sclerosis and immune-mediated neurological diseases: updated guidelines and recommendations from the EBMT Autoimmune Diseases Working Party (ADWP) and the Joint Accreditation Committee of EBMT and ISCT (JACIE). Bone Marrow Transplant 55, 283–306 (2020). https://doi.org/10.1038/s41409-019-0684-0
  • [2] Lünemann JD, Ruck T, Muraro PA, Bar-Or A, Wiendl H. Immune reconstitution therapies: concepts for durable remission in multiple sclerosis. Nat Rev Neurol. 2020 Jan;16(1):56-62. doi: 10.1038/s41582-019-0268-z. Epub 2019 Oct 24. Erratum in: Nat Rev Neurol. 2020 Feb;16(2):125. PMID: 31649335. DOI: 10.1038/s41582-019-0268-z

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zu vernetzen, um einen schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis zu ermöglichen. Der Fokus der aktuellen KKNMS-Projekte liegt auf der langfristigen Verbesserung der MS-Diagnose, -Therapie und -Versorgung. Die Geschäftsstelle ist am Universitätsklinikum Münster angesiedelt.

1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Die DMSG mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und etwa 800 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, fast 4.000 ehrenamtlichen Helfern und 276 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG fast 43.000 Mitglieder. Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach neuesten Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 250.000 Menschen an MS. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.

MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden. Weltweit sind schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen an MS erkrankt.

Krankheitsbezogenes Kompetenznetz Multiple Sklerose
Leitung der Geschäftsstelle: Dr. Zoë Hunter
info@kkn-ms.de
www.kompetenznetz-multiplesklerose.de

Pressestelle des DMSG-Bundesverband e.V.
Leitung Presse- und Öffentlichkeitsarbeit: Ines Teschner 
teschner@dmsg.de
www.dmsg.de