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07.05.2021 – Die Impfantwort unter laufender Immuntherapie wird aktuell von vielen Gruppen untersucht. Eine kürzlich veröffentliche Studie aus Israel sorgt für Unruhe bei Ärzten und MS Patienten.

Die Gruppe um Anat Achiron aus Israel veröffentlichte kürzlich die Annahme, dass es unter Fingolimod und Ocrelizumab keine oder eine nicht ausreichende Impfantwort gebe, begründet durch die ELISA- Messung mit Antiköpern gegen das rekombinant hergestellte Spike Protein des SARS CoV 2. Auch werden in der Publikation weitreichende Behandlungs- und Umstellungsempfehlungen gegeben. Dies ist insbesondere für Patienten, die mit S1P Modulatoren behandelt werden, von Relevanz, da durch Behandlung mit dieser Medikamentengruppe auch die für die adaptive Immunantwort wichtigen Lymphozyten im Blut verringert sind. Somit entsteht durch diese Studie die Sorge, dass insbesondere bei Behandlung mit S1P Modulatoren kein Impfschutz bestehen könnte. Dass hiervon jedoch eher nicht auszugehen ist, bekräftigt das KKNMS in dieser Stellungnahme.

„In der Impf-Empfehlung des KKNMS haben wir bereits ausgeführt, dass bei den bislang auf dem Markt befindlichen Impfstoffen gegen SARS CoV 2 – wie bei anderen Impfungen – bei bestimmten Medikamenten eine verringerte Immunantwort auftreten könnte, grundsätzlich aber stark zur Impfung gegen SARS CoV2 geraten wird “, so Frau Prof. Zipp, Direktorin der Klinik und Poliklinik fürNeurologie, Mainz und Vorstandsmitglied des KKNMS e.V. Seitens der Grippe-Impfung ist bekannt, dass die Immunreaktion sowohl unter Ocrelizumab als auch unter S1P-Modulatoren verringert, aber durchaus vorhanden ist. Daher werden aktuell bereits für alle Impfungen und für die SARS CoV2 Immunisierung bestimmte Abstände zur letzten oder ersten (vor Initiierung einer neuen) Medikamentengabe empfohlen. (https://www.kompetenznetz-multiplesklerose.de/wp-content/uploads/2021/03/KKNMS_Pocketcard-Impfen_08.03.2021_final.pdf)

In Frankreich wird zudem bereits empfohlen, dass Transplantierte und Immunsupprimierte 3-4 Wochen nach der zweiten eine dritte Dosis eines mRNA-Impfstoffs erhalten sollen. (https://tx-corona-info.de/blog/163-zu-schwache-immunantwort-transplantierte-in-frankreich-erhaltendritte-dosis-eines-mrna-impfstoffs).

„Grundsätzlich wissen wir mittlerweile, dass die Immunantwort auf eine SARS CoV 2 Infektion vielfältig sein kann, es sind Antikörper sowie B- und T-Zellen involviert. Es ist sicherlich wichtig zu realisieren, dass auch weniger Immunantwort besser ist als eben gar keine Immunantwort gegen SARS CoV2“, betont Herr Prof Wiendl, Direktor der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Münster und Vorstandssprecher des KKNMS. Dabei korrelieren nach den bisherigen Erkenntnissen Antikörper- und zelluläre Immunantwort eher gering. Zudem gibt es eine Reihe von verschiedenen Nachweismethoden, auch innerhalb der Antikörperantworten gegen das sogenannte Spike-Protein, das Protein, das dem Virus das Eindringen in die Zellen des Infizierten ermöglicht. Unter B-Zell-depletierenden Therapien, wie z.B. Ocrelizumab, sind Antikörper-Antworten verringert.

Die Arbeit aus Israel zeigt in kleinen Patient*innen-Gruppen relativ kurz nach der zweiten Impfung mit einer spezifischen Messmethode eine Antikörperantwort, die für Ocrelizumab und Fingolimod nicht oder eingeschränkt vorhanden ist. Unter Fingolimod, einem S1P-Modulator, sind Lymphozyten in der Blutzirkulation zwar verringert, es bleiben aber eine gewebeständige Immunantwort und auch Subpopulationen von BLymphozyten erhalten. In der Arbeit aus Israel sind weder zelluläre Antworten, neutralisierende Antikörper, andere Assays noch spätere Zeitpunkte untersucht, denn wir wissen mittlerweile auch, dass es selten zu sogenannten Spät-Respondern unter der Impfung kommen kann. Andere Arbeiten an MS Patienten (an Kempen et al., JAMA Neurology 2021) sehen zwar Unterschiede zwischen Medikamenten, aber kein so drastisches Ausbleiben.

Insgesamt muss hervorgehoben werden, dass eine Impfung dann als erfolgreich zu werten ist, wenn kein schwerer COVID-19 Verlauf nach vollständiger Impfung auftritt. Zudem ist es wichtig zu wissen, dass für die SARS CoV 2 Impfung das „Correlate of Protection“ weder geklärt noch routinemäßig messbar ist. Die klinische Impfantwort wurde in der israelischen Arbeit nicht untersucht. Zudem konnte kürzlich gezeigt werden, dass Patienten mit einer Auswahl an immunsuppressiven Therapien im Rahmen einer Transplantation oder chronisch entzündlichen Erkrankungen in der Lage sind, eine effektive Immunantwort nach einer SARS-CoV-2 mRNA-Impfung ohne signifikante Nebenwirkungen oder Flares aufzubauen.

Zusammenfassend spricht sich das KKNMS aufgrund von fehlenden Untersuchungen zur klinischen Impfantwort und unvollständigen Messmethoden der Immunantwort erneut dafür aus, dass MS Patienten die Impfangebote gegen SARS CoV2 wahrnehmen sollen, unabhängig von der gegenwärtig gegebenen Therapie. Selbst ein verringerter Schutz ist wichtig und besser als kein Schutz. Eine aktive Therapieumstellung oder auch ein verzögerter Beginn einer Therapie bei Patienten mit hochaktiver MS aufgrund von Bedenken zur Impfung bzw. Impfantwort wird nicht empfohlen. Die Messung von Antikörperantworten nach Impfung bilden die Kompetenz der Immunantwort gegen SARS CoV2 nicht vollständig ab. Aus Sicht des KKNMS wird aktuell nicht dazu geraten regelmäßig nach Impfung Antikörpertiter zu messen, die Impfantworten sollten im Rahmen von Studien weitergehend untersucht werden.

  • [1] Geisen UM, Berner DK, Tran F, et al Immunogenicity and safety of anti-SARSCoV- 2 mRNA vaccines in patients with chronic inflammatory conditions and immunosuppressive therapy in a monocentric cohort Annals of the Rheumatic Diseases Published Online First: 24 March 2021. doi: 10.1136/annrheumdis-2021-220272
  • [2] Ufer M, Shakeri-Nejad K, Gardin A, Su Z, Paule I, Marbury TC, Legangneux E. Impact of siponimod on vaccination response in a randomized, placebo-controlled study. Neurol Neuroimmunol Neuroinflamm. 2017 Sep 13;4(6):e398
  • [3] Anat Achiron, Mathilda Mandel, Sapir Dreyer-Alster, et al. Humoral immune response to COVID-19 mRNA vaccine in patients with multiple sclerosis treated with high-efficacy disease-modifying therapies. Ther Adv Neurol Disord 2021, Vol.14:1-8
  • [4] van Kempen ZLE, Strijbis EMM, Al MMCT, et al. SARS-CoV-2 Antibodies in Adult Patients With Multiple Sclerosis in the Amsterdam MS Cohort. JAMA Neurol. Published online April 30, 2021. doi:10.1001/jamaneurol.2021.1364

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zu vernetzen, um einen schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis zu ermöglichen. Der Fokus der aktuellen KKNMS-Projekte liegt auf der langfristigen Verbesserung der MS-Diagnose, -Therapie und -Versorgung. Die Geschäftsstelle ist am Universitätsklinikum Münster angesiedelt.