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28. Juni 2021 – Bereits am 28.01.2021 hat der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) den monoklonalen Antikörper Ofatumumab (Kesimpta®) zur Zulassung für die Behandlung erwachsener Patienten mit schubförmiger MS und aktiver Erkrankung (klinisch oder bildgebend) empfohlen. Die Europäische Kommission ist dieser Empfehlung gefolgt und hat Ofatumumab (Kesimpta®) am 26.03.2021 in der EU zugelassen.

Ofatumumab ist ein vollständig humanisierter monoklonaler Antikörper, der subkutan verabreicht wird und eine effektive B-Zell-Depletion vermittelt. Die Wirksamkeit von Ofatumumab wurde in zwei doppelblinden klinischen Studien (ASCLEPIOS I und II) gegenüber der etablierten Vergleichssubstanz Teriflunomid gezeigt, die Sicherheitsdaten belegen ein gutes Nutzen-Risiko Verhältnis (Hauser et al., NEJM 2020).

Nicht nur aufgrund der guten Wirksamkeit und Verträglichkeit, sondern auch aufgrund der erstmalig möglichen Selbstverabreichung eines monoklonalen Antikörpers mit Hilfe eines Autoinjektor-Pens, ist die Zulassung von Ofatumumab (Kesimpta®) sowohl von Ärzten als auch von Patienten begrüßt worden, da sie eine wichtige Erweiterung des aktuellen therapeutischen Spektrums bei MS darstellt (siehe auch Pressemitteilung des KKNMS vom 23.04.2021).

In der Regel vergeht von der formalen Zulassung bis zur Verfügbarkeit eines Medikamentes noch eine gewisse Zeit. In Deutschland wird ein neues Medikament u.a. in die Lauer-Taxe aufgenommen, ein Nachschlagewerk für alle pharmazeutischen Berufsgruppen, Apotheken, Pharmaunternehmen und Großhändler, sowie gesetzliche und private Krankenversicherungen. In der Lauer-Taxe sind verbindlich sämtliche relevanten Informationen über Arzneimittel verzeichnet, also die Pharmazentralnummer, der Preis eines Arzneimittels, die Packungsgrößen und die Information, ob ein Rabattvertrag für das Arzneimittel zwischen dem Hersteller und einer gesetzlichen Krankenkasse besteht.

Nach aktuellem Stand ist festzuhalten, dass Kesimpta® knapp drei Monate nach seiner formalen Zulassung in der EU in Deutschland noch immer nicht verfügbar ist. Mutmaßlich hängt dies damit zusammen, dass es noch Unklarheiten bezüglich der relevanten o.g. Informationen geben dürfte. Leider existiert bezüglich der noch offenen Punkte keine Transparenz durch das pharmazeutische Unternehmen, das bisher lediglich über die Verzögerung, nicht aber über die Gründe und die weitere Timeline informiert hat.

Eine solcher Umgang mit den Erwartungen von Ärzten und Patienten kann im Grundsatz nicht akzeptiert werden. Offensichtlich gründet die aktuelle Verzögerung nicht auf Wirksamkeits- oder Sicherheitsbedenken, da die Substanz weiterhin uneingeschränkt in anderen Ländern verfügbar ist, sondern auf rein strategische Überlegungen.

Die Task Force Versorgungsstrukturen und Therapeutika sowie der Vorstand des KKNMS möchte diesen Vorgang zum Anlass nehmen, sich klar gegen jede strategische Blockade nach erfolgreicher Zulassung von ausreichend wirksamen und sicheren therapeutischen Innovationen zu positionieren. Hierdurch wird die Versorgung von MS Patienten unnötigerweise verschlechtert und das Patientenwohl gefährdet sowie antizipierte Behandlungsstrategien verzögert und Unsicherheiten generiert. Das KKNMS fordert alle Beteiligten auf, rasch diese Blockadehaltung zu überwinden und die Substanz umgehend für den deutschen Markt verfügbar zu machen, so wie es die gesetzlichen Regelungen vorsehen.

Als wichtiger Hinweis sollte noch hinzugefügt werden, dass für Patienten, die für ihre Versorgung den Wirkstoff Ofatumumab benötigen, nach § 73 Absatz 3 Arzneimittelgesetz (AMG) die Möglichkeit des Einzelimportes besteht – vorausgesetzt, es handelt sich um eine Bestellung für eine Einzelperson und das Produkt wurde im Exportland rechtmäßig in den Verkehr gebracht. Zum Import berechtigt sind Apotheken, wenn es in Deutschland für das Indikationsgebiet kein vergleichbares Arzneimittel in Bezug auf Wirkstoff (trifft auf Ofatumumab als ersten komplett humanisierten Antikörper zu) und Wirkstärke gibt. Einzelimporte sind auch für Arzneimittel möglich, die beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen vom deutschen Markt genommen wurden. Einzelimporte können zu Lasten der Kassen abgerechnet werden, vorausgesetzt es wurde vor Abgabe ein Antrag auf Kostenübernahme gestellt und diese bestätigt.

Diese Stellungnahme wurde im Namen des Vorstandes des KKNMS e.V. sowie der Mitglieder der Task Force Versorgungsstrukturen und Therapeutika des KKNMS e.V. verfasst.

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zu vernetzen, um einen schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis zu ermöglichen. Der Fokus der aktuellen KKNMS-Projekte liegt auf der langfristigen Verbesserung der MS-Diagnose, -Therapie und -Versorgung. Die Geschäftsstelle ist am Universitätsklinikum Münster angesiedelt.

1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Die DMSG mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und etwa 800 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, fast 4.000 ehrenamtlichen Helfern und 276 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG fast 43.000 Mitglieder. Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach neuesten Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 250.000 Menschen an MS. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.

MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden. Weltweit sind schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen an MS erkrankt.