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06.10.2022 – In einer Beobachtungsstudie zur Evaluation der Wirksamkeit von Immunadsorption (IA) vs. Methylprednisolon bei Patienten mit steroidrefraktären akuten Schüben der Multiplen Sklerose konnten günstige Ergebnisse für die Immunadsorption im Vergleich zur doppelten Dosis Methylprednisolon gezeigt werden. 

Während die immunmodulatorischen Langzeittherapien für Multiple Sklerose (MS) bedeutende Fortschritte erfahren haben, ist der Behandlungsansatz für akute MS-Schübe in den letzten Jahren weitgehend unverändert geblieben. Als Standardbehandlung wird die Verabreichung von hochdosiertem intravenösem Methylprednisolon, mit bis zu 1000 mg täglich an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen, empfohlen. Für eine Mehrzahl der Patienten führt diese Behandlung zu einer Linderung der Symptome, allerdings sprechen etwa 25 % der Patienten unzureichend auf den ersten Zyklus Methylprednisolon an, so dass aktuelle Leitlinien einen zweiten Zyklus mit einer doppelten Dosis von bis zu 2000 mg täglich an drei bis fünf aufeinanderfolgenden Tagen empfehlen. Erst dann sollten bei fehlendem Ansprechen Plasmaaustauschverfahren zur Anwendung kommen. 

Hier ist als alternative Behandlungsmethodik die Immunadsorption (IA) zu nennen, eine therapeutische Apherese zur Entfernung von Immunglobulinen. In zwei prospektiven und mehreren retrospektiven Studien konnten Ansprechraten zwischen 50 und 86 % bei Patienten mit klinisch isoliertem Syndrom (KIS) oder schubförmiger MS (RMS) gezeigt werden. Diese hatten zuvor unzureichend auf eine Behandlung mit Methylprednisolon angesprochen. 

Die Apherese-Behandlung ist wegen der häufigen Notwendigkeit eines zentralen Venenkatheters invasiv – wobei inzwischen auch sehr gute Erfahrungen mit einem großlumigen peripheren Venenkatheter gemacht wurden – und sie ist teurer als eine Methylprednisolon-Behandlung. Auch die Wirkmechanismen unterscheiden sich: die Methylprednisolon-Behandlung zielt fast ausschließlich auf T-Zellen ab, IA hingegen dient der Entfernung der löslichen Immunglobuline. „Bisher fehlte es an wegweisenden Vergleichsstudien, die die Wirksamkeiten einer Apherese-Behandlung und einem zweiten Zyklus Methylprednisolon in doppelter Dosierung gegenüberstellen und damit eine Basis für die Konkretisierung (Erweiterung) der bisherigen Behandlungsleitlinien bieten“, erläutert Prof. Wiendl, Direktor der Neurologie des Universitätsklinikums Münster und Sprecher des KKNMS Vorstands. 

Pfeuffer und Kollegen haben jetzt die Daten einer prospektiven klinischen Studie veröffentlich, die innerhalb eines Kooperationsprojektes der Universitätskliniken in Münster und Düsseldorf erhoben wurden. Patienten mit einer steroidrefraktären akuten MS wurden entweder mit einem 6fach-Zyklus Tryptophan-Immunadsorption oder mit einem zweiten Zyklus Methylprednisolon in doppelter Dosis behandelt. Darüber hinaus wurden umfangreiche Analysen zellulärer und löslicher Faktoren im peripheren Blut durchgeführt, um die Auswirkungen beider Behandlungen auf das Immunsystem zu untersuchen.

Die Daten der Studie mit 42 Patienten zeigen, dass sich die Tryptophan-IA (n=16) im Vergleich zu einem erneuten, höher dosierten Methylprednisolon-Puls (n=26) vorteilhaft auswirkt und ein Benefit für die Patienten bezüglich klinischer Funktionswerte, gesundheitsbezogener QoL (Quality of Life)-Bewertungen und Serum NfL-Werten besteht – und zwar nicht nur direkt nach der Behandlung, sondern auch bei der Folgeuntersuchung nach drei Monaten. Durchflusszytometrie-Messungen ergaben eine tiefgreifende Verringerung der B-Zell-Untergruppen nach der IA, die eng mit den klinischen Ergebnissen korrelierte. 

„Angesichts dieser Ergebnisse ist zu überlegen, ob bei steroidrefraktären MS Schüben mit alltagsrelevantem Defizit statt der bisher propagierten erneuten Steroidtherapie nicht direkt eine Immunadsorption angeschlossen wird“, so Prof. Dr. Ralf Gold Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Bochum und Vorstandsmitglied des KKNMS, der sich schon seit Jahren mit der Wirkung von Plasmaaustauschverfahren bei Neuroimmunologischen Erkrankungen beschäftigt. Die Ergebnisse der Studie könnten somit Einfluss auf die Leitlinien zur Eskalationstherapie des akuten MS Schubes haben. 

                                                               

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Der Abdruck ist frei.

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  • [1] Pfeuffer, S., Rolfes, L., Wirth, T. et al. Immunoadsorption versus double-dose methylprednisolone in refractory multiple sclerosis relapses. J Neuroinflammation 19, 220 (2022). https://doi.org/10.1186/s12974-022-02583-y

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zu vernetzen, um einen schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis zu ermöglichen. Der Fokus der aktuellen KKNMS-Projekte liegt auf der langfristigen Verbesserung der MS-Diagnose, -Therapie und -Versorgung. Die Geschäftsstelle ist am Universitätsklinikum Münster angesiedelt.

1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Die DMSG mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und etwa 800 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, fast 4.000 ehrenamtlichen Helfern und 276 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG fast 43.000 Mitglieder. Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach neuesten Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 250.000 Menschen an MS. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.

MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden. Weltweit sind schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen an MS erkrankt.

Krankheitsbezogenes Kompetenznetz Multiple Sklerose
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