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09. Juli 2021 – Am 24.6.2021 hat die Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) Satralizumab zur Behandlung von anti-Aquaporin-4-Immunglobulin G (AQP4-IgG) – seropositiven Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen (NMOSD) zugelassen. Es können Jugendliche ab einem Alter von 12 Jahren und Erwachsene mit Satralizumab entweder als subkutane Monotherapie oder in Kombination mit einer immunsuppressiven Basistherapie behandelt werden. Satralizumab ist der zweite zugelassene Antikörper zur Therapie der NMOSD. Im letzten Jahr hatte bereits Eculizumab (Handelsname Soliris®) eine Zulassungserweiterung von der EMA erhalten.

Satralizumab (Handelsname Enspryng®) ist ein humanisierter monoklonaler Anti-Interleukin-6 (IL-6) Rezeptor-Antikörper welcher die durch IL-6 vermittelten Entzündungskaskaden bei der NMOSD und die Differenzierung von B-Zellen in Antikörper-produzierende Plasmablasten vermindern kann. Es handelt sich dabei um eine Weiterentwicklung von Tocilizumab mit neuartiger Recycling-Technologie, wodurch eine längere Wirksamkeit erreicht werden kann. Satralizumab wird subkutan – nach einer Aufdosierungsphase (Woche 0, 2 und 4) – alle 4 Wochen mit 120 mg durch den behandelnden Arzt oder selbständig durch die Patienten verabreicht.

Der Nutzen von Satralizumab besteht in der Verhinderung von Erkrankungsschüben, die bei der NMOSD oft sehr schwer sind und zu bleibenden neurologischen Schäden führen können.

Die Zulassung stützt sich auf zwei Phase-III-Studien (SAkuraSky und SAkuraStar), die beide gezeigt haben, dass sich das Schubrisiko für NMOSD Patienten mit AQP4-Antikörpern durch Satralizumab signifikant verringert. In der SAkuraStar Studie wurde Satralizumab dabei als Monotherapie eingesetzt und gegenüber Placebo verglichen und in der SAkuraSky Studie in Kombination zusätzlich zu einer bestehenden immunsuppressiven Basistherapie (z.b. Azathioprin) verabreicht. Es wurden AQP4-IgG –seropositive und seronegative Patienten eingeschlossen, wobei die Zahl der AQP4-IgG negativen NMOSD Patienten geringer war. In beide Studien wurden Erwachsene bis 74 Jahre eingeschlossen, in der SAkuraSky Studie konnten auch Jugendliche ab einem Alter von 12 Jahren teilnehmen. Beide Studien zeigten eine signifikante Risikoreduktion für das Auftreten von Erkrankungsschüben bei AQP4-IgG-seropositiven NMOSD Patienten.

„Die Ergebnisse der Studien untermauern die bisherigen positiven Erfahrungen mit anti-IL6-Rezeptor gerichteten Medikamenten bei Patienten mit NMOSD und erlauben durch die subkutane Gabe ein anwendungsfreundliches Therapiemanagement“ erläutert Prof. Dr. med. Heinz Wiendl, Vorstandssprecher des Kompetenznetzwerkes, Vorstandsmitglied der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V. und Direktor der Klinik für Neurologie und des Instituts für Translationale Neurologie des Universitätsklinikums in Münster.

Die Zulassung von Satralizumab erweitert die Behandlungsmöglichkeiten von AQP4-IgG-positiven NMOSD Patienten und es steht nun erstmals ein zugelassenes Medikament zur subkutanen Verabreichung für Erwachsene und vor allem auch für Jugendliche zur Verfügung. Der Einsatz von Satralizumab als Monotherapie oder in Kombination mit einem Immunsuppressivum hängt unter anderem von Vortherapien, Krankheitsaktivität aber auch Ko-Morbiditäten (z.B. zusätzliche Erkrankungen aus dem rheumatologischen Formenkreis) ab und muss individuell entschieden werden. Die Erfahrungen mit Satralizumab als „Firstline“-Therapie bei der NMOSD sind noch begrenzt.

Prof. Dr. med. Tania Kümpfel, Vorstandsmitglied des KKNMS e.V., Mitglied im Ärztlichen Beirat des DMSG-Bundesverbandes und Leiterin der Neuroimmunologischen Ambulanz des LMU Klinikums betont „Langzeitdaten zur Anwendung von Satralizumab hinsichtlich des Sicherheitsprofils sollten weiterhin erhoben und Patienten möglichst in Registern erfasst werden, hierfür steht in Deutschland das Register der Neuromyelitis optica Studiengruppe (NEMOS) zur Verfügung“.

Patienten, die Satralizumab erhalten, sollten von spezialisierten und in der Therapie der NMOSD erfahrenen Ärzten regelmäßig betreut werden und der Erkrankungsverlauf sowie die erforderlichen Kontrolluntersuchungen gewährleistet und überwacht werden. Empfehlungen zum Einsatz von Satralizumab und zu Kontrolluntersuchungen vor und während der Therapie gibt das KKNMS in Zusammenarbeit mit der Neuromyelitis optica Studiengruppe (NEMOS) in Kürze im Qualitätshandbuch heraus, ansonsten gelten die Vorgaben der Fachinformation.

Die Landesverbände der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft bieten in ihren Geschäftsstellen auch eine Beratung für Menschen mit NMOSD an. Kontakt über: www.dmsg.de

Verweis

Eine Pressemitteilung des KKNMS e.V. zur Zulassungsempfehlung für Satralizumab wurde vorab am 03.05.2021 veröffentlicht

Das Krankheitsbezogene Kompetenznetz Multiple Sklerose (KKNMS) ist eines von bundesweit 21 Kompetenznetzen in der Medizin, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung initiiert wurden. Sie alle verfolgen das Ziel, Forscher zu spezifischen Krankheitsbildern bundesweit und interdisziplinär zu vernetzen, um einen schnellen Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis zu ermöglichen. Der Fokus der aktuellen KKNMS-Projekte liegt auf der langfristigen Verbesserung der MS-Diagnose, -Therapie und -Versorgung. Die Geschäftsstelle ist am Universitätsklinikum Münster angesiedelt.

1952/1953 als Zusammenschluss medizinischer Fachleute gegründet, vertritt die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) die Belange Multiple Sklerose Erkrankter und organisiert deren sozialmedizinische Nachsorge. Die DMSG mit Bundesverband, 16 Landesverbänden und etwa 800 örtlichen Kontaktgruppen ist eine starke Gemeinschaft von MS-Erkrankten, ihren Angehörigen, fast 4.000 ehrenamtlichen Helfern und 276 hauptberuflichen Mitarbeitern. Insgesamt hat die DMSG fast 43.000 Mitglieder. Mit ihren umfangreichen Dienstleistungen und Angeboten ist sie heute Selbsthilfe- und Fachverband zugleich, aber auch die Interessenvertretung MS-Erkrankter in Deutschland. Schirmherr des DMSG-Bundesverbandes ist Christian Wulff, Bundespräsident a.D.

Multiple Sklerose (MS) ist eine chronisch entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), die zu Störungen der Bewegungen, der Sinnesempfindungen und auch zur Beeinträchtigung von Sinnesorganen führt. In Deutschland leiden nach neuesten Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als 250.000 Menschen an MS. Trotz intensiver Forschungen ist die Ursache der Krankheit nicht genau bekannt.

MS ist keine Erbkrankheit, allerdings spielt offenbar eine genetische Veranlagung eine Rolle. Zudem wird angenommen, dass Infekte in Kindheit und früher Jugend für die spätere Krankheitsentwicklung bedeutsam sind. Welche anderen Faktoren zum Auftreten der MS beitragen, ist ungewiss. Die Krankheit kann jedoch heute im Frühstadium günstig beeinflusst werden. Weltweit sind schätzungsweise 2,8 Millionen Menschen an MS erkrankt.